"The Anatomy of Creativity“ ist eine Partnerschaft zwischen The Brand Identity und Antalis Creative Power. Zusammen untersuchen wir in einer Serie von drei Artikeln, ob es spezifische Komponenten der Kreativität gibt und diskutieren das Thema.
"The Anatomy of Creativity“ ist eine Partnerschaft zwischen The Brand Identity und Antalis Creative Power. Zusammen untersuchen wir in einer Serie von drei Artikeln, ob es spezifische Komponenten der Kreativität gibt und diskutieren das Thema.
Was sind die Anforderungen an kreatives Vordenken? Gibt es etwas, das notwendig ist oder aber schädlich? Wir haben mit einer Fülle an erfahrenen Stimmen gesprochen, um ihre jeweilige Sichtweise darüber zu erfassen, was für gute Ideen nötig ist. Ist die Vorstellung, sich mit inspirierenden Designobjekten zu umgeben, überflüssig? Oder spielen die zur Verfügung stehenden Werkzeuge eine entscheidendere Rolle als erwartet?
Es scheint eine allgemeine Faustregel zu sein, dass Kreativschaffende besser zusammen mit anderen arbeiten, weil sie von der Unterstützung, Ablenkung, Kameradschaft und Motivation einer solchen Gemeinschaft profitieren. Für das in New York ansässige Designstudio Porto Rocha, das von den Partnern Leo Porto und Felipe Rocha geleitet wird, ist ihre gesamte Arbeit letztlich das Ergebnis eines kollaborativen Prozesses: „Wir glauben an die Förderung eines offenen und kritischen Dialogs zwischen uns und unserem Team, indem wir verschiedene Perspektiven an den Tisch bringen, mit Ideen jonglieren und sie aufeinanderprallen lassen. Das führt uns schneller zu weniger erwarteten Lösungen.“
„Es ist interessant, alle paar Monate
einen frischen Wind durch das Studio wehen zu lassen…
das gibt uns neue Einblicke.“
Es überrascht nicht, dass es auf der anderen Seite des großen Teichs nicht viel anders ist, nämlich beim Klimaverein Adapt in London. Ähnlich wie Porto Rocha wird dieser von den Partnern Richard Ashton und Josie Tucker geleitet. „Bei Adapt arbeiten wir fast immer zusammen“, erklären sie. „Wenn Dinge manchmal einzeln gemacht werden, nutzen wir uns gegenseitig für ständiges Feedback.“ Der Erfolg dieser Arbeitsbeziehung hängt davon ab, wie gut die Kollegen miteinander arbeiten und aufeinander eingehen können, um schneller voranzukommen.
Ein weiteres Design-Power-Paar sind Naomi Kolsteren und Vincent Vrints, die gemeinsam das Antwerpener Designstudio Vrints-Kolsteren leiten. Sie erklären, dass sie zwar immer zusammenarbeiten, es aber nicht so ist, „dass wir ständig gleichzeitig an jedem Projekt arbeiten“, erzählt Kolsteren. „Aber wir tauschen uns oft aus und sind für ständiges Feedback aufeinander angewiesen.“ Nachdem sie aufgrund von COVID-19 den Großteil des Jahres 2020 ohne Praktikanten auskommen mussten, stellt Naomi Kolsteren fest, dass sie es vermissen, einen Praktikanten in ihrem Prozess zu haben, weil sie dadurch immer eine neue Perspektive gewinnen. „Es ist interessant, alle paar Monate einen frischen Wind durch das Studio wehen zu lassen… das gibt uns neue Einblicke“, erklärt sie.
Die sich entwickelnde visuelle Identität von Vrints-Kolsteren für das Antwerp Art Weekend.
Bei der Zusammenarbeit geht es nicht nur um bessere Ideen und Ergebnisse, sondern auch um die tolle Unterstützung, die man erhält, und auch um die Geschwindigkeit, mit der man in der Lage ist, Probleme zu überwinden“, sagt Rachel Long-Smith von Narrate. Sie erklärt, dass immer jemand da ist, der einem hilft, wenn man einmal nicht weiterkommt. „Selbst wenn man mit einem Vorschlag nicht einverstanden ist, hilft allein das Diskutieren des Problems oft dabei, die Dinge klarer zu sehen und zu einer eigenen Schlussfolgerung zu kommen“, erläutert sie. Zusammenarbeit in diesem Sinne heißt Problemlösung und unterstützt die Entwicklung guter Ideen. „Durch die Präsentation des Konzepts für andere, sei es verbal oder visuell, stellt man es gleichzeitig auf den Prüfstand“, erklärt Marion Bisserier von der Londoner Designagentur Two Times Elliott. Bisserier glaubt, dass gute Ideen durch eine kollaborative Linse klarer und nuancierter werden können. Hinterfragen ist eine gesunde Übung im Design, denn so werden „gute Ideen zu großartigen Ideen“. Durch die Auswirkungen von COVID-19 ist die kreative Arbeit aufgrund der Forderung nach Abstand und Telearbeit allerdings deutlich schwieriger geworden. „Man braucht Zeit, sich darauf einzustellen, bei Fragen jemanden anzurufen, anstatt von Angesicht zu Angesicht mit dem anderen zu sprechen“, findet Marion Bisserier, „aber das ist es wirklich wert und macht auf lange Sicht einen Unterschied in den Projekten.“
Darin liegt das Wunder der kreativen Industrie und die Verkapselung der ständigen kreativen Praxis: Das Gefühl der Gemeinschaft. Theoretisch kann Design in völliger Isolation erfolgen – wie es bei vielen im Jahr 2020 der Fall war – mit dem Input nur einer einzelnen Person. Die Schönheit liegt aber in der Gemeinschaft. Es ist fast schon neandertalerisch: In den Tiefen unserer Instinkte finden wir Kreativität und Gemeinschaft, die sich gegenseitig verstärken.
Das Logo von Never Now für das Haushaltswarengeschäft Pan After
Allerdings ist die Zusammenarbeit mit anderen nicht immer ein Garant für „gute Ideen“. „Ich habe fast 15 Jahre lang alleine gearbeitet“, erklärt Tristan Ceddia, bevor sein Freund Rick Milovanovic, ebenfalls aus der Kreativbranche, sich mit ihm in seinem Studio zusammentat. Als Gründer des in Melbourne ansässigen Designbüros Never Now erzählt er uns: „Ich hatte noch nie in einem anderen Studio gearbeitet oder mit einem anderen Grafikdesigner zusammengearbeitet, und es hat wirklich lange gedauert, bis ich jemanden gefunden habe, mit dem ich mich wohlfühlte“, erzählt er. Stattdessen greift Ceddia auf mehr externe Inspiration zurück, angeregt durch „die lockerere, obskurere Entscheidungsfindung, die ich da draußen in der Welt sehe.“ Obwohl er sich auch in seinem Atelier mit schönen Objekten umgibt, erklärt er: „Ich interessiere mich für das, was außerhalb der Design-Sphäre passiert, in der Natur und wohl aus der Not heraus.“
Vrints-Kolsteren holen Artefakte aus der Außenwelt ins Haus und stellen fest, dass gute Ideen zwangsläufig aus „schönen Dingen“ hervorgehen, und dass die fraglichen Objekte nicht „besonders“ sein müssen – ganz im Gegenteil. „Sie können ganz normal oder gewöhnlich sein.“ Naomi Kolsteren erinnert sich: „Im Laufe der Jahre haben wir eine Menge Dinge gesammelt, die wir interessant finden“, was darauf hindeutet, dass ihre Kollektion kein kuratiertes Werk bekannter Designer ist, sondern eine Wertschätzung des Unauffälligen und Unscheinbaren. Interessanterweise sind viele ihrer gesammelten Objekte das Ergebnis einer Zusammenarbeit, da sie oft mit anderen Künstlern zusammenarbeiten und einige der daraus resultierenden Stücke behalten. „Diese Künstler sind meist Freunde, die am Anfang ihrer Karriere stehen. Ihre Kunst ist in unserem Leben wichtig geworden und wächst gewissermaßen mit uns“, erklärt Naomi Kolsteren.
Adapt ist ein Klimaverein und eine kreative Organisation in London
Besonders für Designer scheint es charakteristisch zu sein, dass sie nicht nur Sammler, sondern auch Kuratoren sind. Sie verfolgen oft einen „slow-fashion“-Ansatz, indem sie Objekte sammeln, die eine Geschichte erzählen oder Seltenheit aufweisen. Vielleicht liegt es an der Anforderung an die Denkweise, die sich aus der Designausbildung tief in das Unterbewusstsein eingegraben hat, vielleicht ist es aber auch das Gefühl, sich so etwas zu eigen gemacht zu haben. Oder es liegt an der Verfeinerung, an der Konzeption und am Denkvorgang, die aus der eigenen Designpraxis in die reale Welt einfließen. Abgesehen davon gibt es durchaus Kontraste und Extreme.
„Für die Kreativität ist es wichtiger, sich schlechten Designs bewusst zu sein, als sich mit gutem Design zu umgeben.“
Im Gegensatz zu den selbsternannten „Hamstern“ von Adapt erinnert sich Rachel Long-Smith: „Obwohl ich es liebe, mich mit Dingen zu umgeben, die ich als gutes Design einstufen würde, habe ich eigentlich nicht das Gefühl, dass diese Dinge mich eher dazu bringen, kreativ zu sein.“. Sie findet Inspiration eher im Sinne von Ceddias Denkweise. „Ich glaube, dass Kreativität aus einer tieferen Inspiration kommt, die für mich durch das Aufnehmen von allem um mich herum entsteht“, was auch ihre eigenen Erfahrungen und frühere Forschungen umfasst. In diesem Sinne sind auch schlechtes Design und schlechte Ideen von Bedeutung. „Ich glaube tatsächlich, dass es für die Kreativität wichtiger ist, sich schlechten Designs bewusst zu sein, als sich mit gutem Design zu umgeben“, erklärt Rachel Long-Smith und fügt hinzu: „Aus meiner eigenen Erfahrung heraus inspiriert mich die Frustration über schlechtes Design in der Regel dazu, kreativer zu sein und es zu verbessern.“
Die gedruckte Publikation von Narrate für Breaking the Mould
Das ist vielleicht das Problem, das der kreativen Gemeinschaft im Allgemeinen zugrunde liegt: Die Angst vor dem Versagen und die Mehrdeutigkeit von Fehlern. Die Anonymität und das Tempo der sozialen Medien, die von der Designindustrie als überaus wichtig betrachtet werden, bieten wohl die perfekten Bedingungen für bloßes Nörgeln anstatt für eine fundierte kritische Betrachtung. Wie Rachel Long-Smith andeutet, führen die gemachten Fehler und die daraus gezogenen Lehren nicht nur zu einer Verbesserung der eigenen Praxis, sondern können dazu beitragen, die Grenzen des zeitgenössischen Designs zu erweitern, wenn man einfach nach dem „Warum?“ fragt.
Marion Bisserier macht in ähnlicher Weise auf die latente Schwäche in der Erwartungshaltung an das Design aufmerksam, nämlich dass die Frustration nicht daraus entsteht, wenn man keine Idee hat, sondern dass man nicht sofort die göttliche Lösung dazu findet. „Traditionell war und ist unser Erfolg als Designer weitgehend an unseren Ergebnissen messbar, einem konkreten Maßstab, der heute durch die wachsende Bedeutung der sozialen Medien in der Designbranche noch unmittelbarer geworden ist“, erklärt sie.
Porto Rocha stellt in Frage, wie groß unser Vorteil all der Technologie ist, die uns zur Verfügung steht. „Wie bei den meisten Grafikdesignern arbeiten wir fast ausschließlich digital,“ erzählen sie und erklären, dass Technologie natürlich ein grundlegender Aspekt ihres Alltags ist. „Technologie hilft uns, unsere Gedanken zu sortieren, zu fokussieren, zu recherchieren und umzusetzen,“ fügen sie hinzu, was zu einer Arbeit führt, die „schneller, präziser, vernetzter und effizienter ist“. Nichtsdestotrotz stellen sie aber die Frage: „Sind wir dadurch kreativer?“ Das ist schwierig zu messen, erklären Porto Rocha. „Einerseits erlauben uns neue Werkzeuge und Technologien, Dinge zu schaffen, die in der Vergangenheit nicht möglich waren. Andererseits ist ein Werkzeug einfach nur ein Werkzeug.“ Es liegt an uns, kreativ damit umzugehen“, erklären sie und fügen hinzu: „Interessanterweise ist Kreativität eine der Eigenschaften, die uns als einzigartig menschlich definieren“, und damit der entscheidende Unterschied zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz. „Jedes Werkzeug, das eine Erweiterung der Hand oder des Geistes ist und die Produktivität fördert, ist für einen Designer von Wert“, fasst Ceddia zusammen und unterstützt damit diese Einschätzung zum Anteil der Technologie an der Kreativität.
„Ich finde, dass der zu frühe Einsatz digitaler Software-Programme manchmal meinen Denkprozess behindert.“
Manche empfinden die Einschränkungen von Stift und Papier sowie deren Zusammenspiel mit digitalen Werkzeugen jedoch als einen Nährboden guter Ideen. „Wir versuchen, ein Gleichgewicht zu finden, und machen immer auch Arbeiten, die keine Technologie erfordern, auch wenn es nur zum persönlichen Vergnügen ist“, erklären die beiden Partner von Adapt. Ebenso erinnert sich Rachel Long-Smith daran, dass „einige meiner Lieblingsprojekte diejenigen sind, bei denen man mit Stift und Papier beginnt und sich dann kontinuierlich zwischen digital und analog bewegt“, und bewundert die gedeihliche, gegensätzliche Beziehung, die sich aus den experimentellen und unbekannten Ergebnissen dieser Arbeitsweise ergibt. Man könnte argumentieren, dass das Ergebnis dieser Beschränkungen gute Ideen eher unterstützt, anstatt eine potenzielle Einschüchterung durch den grenzenlosen Inhalt darzustellen.
„Ich finde, dass der zu frühe Einsatz digitaler Software meinen Denkprozess manchmal von der Ideenfindung ablenkt“, erklärt Marion Bisserier und stellt fest, dass sie auf diesem Weg oft in Versuchung gerät, sich auf die Herstellung von etwas Perfektem zu konzentrieren. „Das sieht vielleicht cool aus, ist aber in diesem frühen Stadium nicht unbedingt die Priorität“, fügt sie hinzu. Normalerweise versucht sie, ihre erste „gute Idee“ zu sammeln, bevor sie diese zur Verfeinerung auf den Bildschirm bringt. Andererseits findet sie aber auch, „dass die Anzahl der Möglichkeiten, die durch digitale Werkzeuge ermöglicht werden, auch Ihre Ideen vervielfachen kann.“ Auch Rachel Long-Smith teilt diese Idee. „Stift und Papier sind für mich nicht genug“, erklärt sie, obwohl sie eine wesentliche Rolle in ihrem Design-Prozess spielen, zu dem auch Kritzeln, Schreiben und Notieren gehören. „Der Zugang zu Technologie und Werkzeugen bedeutet, dass die Erkundungen und Möglichkeiten grenzenlos sind“, sagt Rachel Long-Smith, wobei die erfrischenden Ergebnisse oft interessante Gespräche auslösen, die dem Fortschritt des zeitgenössischen Designs zugutekommen können.
Gibt es in einer Welt der unendlichen Informationen, einer Welt der Informationstechnologie, zu viele gegenseitige Beziehungen und zu große Gestaltungsspielräume? Ist es nicht verwunderlich, dass uns bei der ständigen Flut von Inhalten die Ideen ausgehen? Sind „gute Ideen“ eine seltenere Spezies als die üblichen und hausgemachten „schlechten Ideen“? Für viele ist kreatives Schaffen einfach eine Problemlösung, wobei „gute Ideen“ Lösungen für Herausforderungen sind. Wenn es die Zeit erlaubt, sich vom aktuellen Thema abzukoppeln und eine Pause einzulegen, „schafft es unser Unterbewusstsein, Dinge auf eine Weise zu lösen, die uns oft überrascht“, erklären Adapt.
Ebenso ist der Begriff der kreativen Blockade typischerweise mit dem Designbereich verknüpft und ist in ähnlicher Weise kontraproduktiv für die Ideenfindung. Adapt erzählen uns dazu: „Wir stellen immer wieder fest, dass wir genau dann weitermachen müssen, wenn wir an dem Punkt sind, an dem wir eine Idee aufgeben wollen, weil wir sie nicht richtig hinbekommen“, was von einem Sinn für Beharrlichkeit zeugt, dessen Ergebnis von Natur aus neue Ideen hervorbringt. „Wir geben nie eine Idee auf, auch wenn Pausen natürlich nötig sind. Manchmal braucht es einfach mehr Arbeit, als wir ursprünglich geplant haben“, fügen sie hinzu.
Von West End inspirierte Verpackung von Two Times Elliott für das Unisex-Deodorant AKT
Diese Meinung wird mit überwältigender Mehrheit geteilt, was darauf hindeutet, dass eine Hartnäckigkeit gegenüber dem eigenen kreativen Prozess für gute Ideen grundlegend ist. „Ich bemühe mich bewusst, meine Perspektive zu ändern und in eine andere Richtung zu schauen, wenn ich vor einer kreativen Blockade stehe“, erklärt Ceddia. „Wirklich, das kann man für alle Aspekte des Lebens sagen: Wenn dir nicht gefällt, was du siehst, dann schaue, was um dich herum so los ist“, ergänzt er. Ebenso erklärt Naomi Kolsteren, wie wichtig es ist, die eigene Routine zu durchbrechen: „Wenn man immer in seiner Grafikdesign-Welt bleibt, kann es wie in einem Tunnel sein“, erklärt sie. „Versuche, deinen Geist zu erfrischen, indem du etwas völlig anderes tust“, fügt Kolsteren hinzu – ganz ähnlich wie Rachel Long-Smiths Empfehlung, „darüber zu schlafen“. Da sie das Ergebnis als irgendwie reinigend empfindet, erklärt Long-Smith: „Für mich funktioniert es am besten, eine Pause zu machen und am Morgen wieder darauf zurückzukommen.“
Porto Rochas Neuinterpretation des Museu Nacional in Brasilien
Im Gegensatz zu Adapt bleibt Felipe Rocha nicht starrköpfig am Problem kleben, sondern nutzt ebenfalls eine Erholung: „Wenn ich mitten in einer kreativen Blockade stecke, mache ich gerne eine Pause von der Entwurfsarbeit, wenn auch nur für 15 Minuten, und gehe an die Luft: raus, spazieren, laufen oder Rad fahren.“ Dabei stellt er fest, dass sein Verstand wieder klarer wird und er die gleichen Herausforderungen noch immer sieht, jedoch „aus einer anderen Perspektive.“
Die Lösung von kreativen Problemen kommt oft ganz von selbst, so auch bei Naomi Kolsteren. „Es entwickelt sich wirklich simultan“, verrät sie. Oft beginnt sie mit der ästhetischen Visualisierung durch typografisches Experimentieren. Ebenso eifrig, aber nicht so unmittelbar visuell, neigt Rachel Long-Smith dazu, mit der Recherche zu beginnen. Sie liest und schreibt über das, was ihr als Problem erscheint. „Ich muss das Problem wirklich verstehen und strategisch über die Lösungen nachdenken, bevor ich mit der visuellen Arbeit beginne“, erklärt sie. „Das ermöglicht mir, eine Grundlage zu haben, auf die ich mich regelmäßig beziehen kann, um sicherzustellen, dass das, was ich produziere, eine gute und passende Antwort auf das Problem ist.“
Für andere liegt die Lösung auf kreative Probleme wiederum in der Zusammenarbeit. „Es fällt mir schwer, ein Problem zu knacken oder überhaupt genau zu wissen, was das Problem ist, wenn sich alles so sehr in meinem eigenen Kopf abspielt und nicht vor meinen Augen“, erklärt Marion Bisserier. Dies sei ein wertvoller Akt, weil Zusammenarbeit das Herzstück von Two Times Elliott ist, findet sie. „Wir haben wirklich diese Mentalität, dass die Projekte uns allen gehören, anstatt sie nur einem Designer allein zuzuschreiben“, erklärt sie. „Ich denke, dieses Gefühl der Co-Kreativität hilft, den Druck beiseite zu schieben und ermutigt mich, eine Lösung auszuspucken, auch wenn es vielleicht nicht gleich die richtige ist.“ In diesem Sinne geht es bei der Lösung von Problemen darum, die Sache sauber zu sezieren, wie Bisserier wortgewandt beschreibt: „Die Dinge gemeinsam flach auf den Tisch zu legen, auch wenn das Produkt zunächst drei Augen und nur ein Bein hat, ist immer der richtige Weg, finde ich.“
Porto Rocha fassen zusammen, worauf diese ganze Diskussion hinausläuft: „Fast jedes kreative Problem kann auf verschiedene Arten gelöst werden“. Die beiden glauben nicht an die einzige „perfekte und endgültige Lösung“. Analog dazu bemerken sie: „Deshalb finden wir es super hilfreich, zwei bis drei gegensätzliche Designrichtungen mit unterschiedlichen Ansätzen zu präsentieren, weil die Diskussion dann weg vom Geschmack und hin zu einer Lösung geführt wird.“
Mit Blick auf das quasi abzuschreibende Jahr 2020 fasst Naomi Kolsteren lapidar zusammen, dass „es im Moment definitiv keine einfache Zeit für kreative Berufe ist“, und fügt hinzu: „Es ist viel los und das macht es nicht einfacher.“ Da viele Kreative, Vrints-Kolsteren eingeschlossen, Inspiration im Reisen finden, hat die COVID-19-Pandemie nicht nur das Leben ganz allgemein lahmgelegt, sondern auch das Knüpfen von Kontakten und Sammeln von Lebenserfahrungen, die normalerweise alle zur Bildung, Entwicklung und zum Wachstum der eigenen kreativen Praxis beitragen. „Es hat unsere Denkweise aufgefrischt und neue Einsichten gebracht“, erzählt Kolsteren. „Andere Kulturen gehen ganz anders an Typografie und Farbe heran.“ Wenn man in einen anderen Kontext geworfen wird, fängt man an, die Kleinigkeiten des täglichen Lebens zu bemerken, die man entweder vorher nicht zu schätzen wusste oder mit neuen Augen sieht, erklärt sie. Bis die Dinge am Ende wieder normal werden, wird dies die Realität der Design-Branche bleiben, und sie wird zu weiteren Problemen und kreativen Blockaden führen.
Aber wenn für Menschen überhaupt etwas gilt, dann dass sie belastbar und einfallsreich sind. Bestehende Grenzen sind oft der Schlüssel zum Fortschritt. Die Einschränkungen und die Umsicht, mit denen wir jetzt konfrontiert sind – seien sie gesellschaftlich oder kreativ – werden zu neuen Arbeiten führen, welche die Design-Branche auf erfrischende und unerwartete Weise voranbringen werden.
Weitere Artikel und Erkundungen zum Thema Kreativität finden Sie hier: