Feminismus ist eine Kraft, mit der man rechnen muss. Der Women‘s March und die Me-Too-Bewegung erinnern uns an die Macht der Frauen, und wie sie die Welt verändern können. Der Feminismus hat sich seit den Tagen der Suffragetten-Plakate und der „We Can Do It!“-Kampagne mit Rosie the Riveter stark weiterentwickelt, aber Grafikdesign spielt nach wie vor eine wichtige Rolle bei der Förderung von Frauenthemen durch mutige und überzeugen-de Bilder.
Feminismus ist eine Kraft, mit der man rechnen muss. Der Women‘s March und die Me-Too-Bewegung erinnern uns an die Macht der Frauen, und wie sie die Welt verändern können. Der Feminismus hat sich seit den Tagen der Suffragetten-Plakate und der „We Can Do It!“-Kampagne mit Rosie the Riveter stark weiterentwickelt, aber Grafikdesign spielt nach wie vor eine wichtige Rolle bei der Förderung von Frauenthemen durch mutige und überzeugen-de Bilder.
Trotz der Fortschritte bleibt noch einiges zu tun, um die Gleichstellung von Frauen zu erreichen. Jeden Tag arbeiten Aktivistinnen daran, den Frauen einen Platz in der Geschichte zu verschaffen und ihre Zukunft zu gestalten. Wie bei allen gesellschaftlichen Bewegungen ist Kommunikation der Schlüssel dazu. Kreative setzen sich weiterhin mit auffälligen Gestaltungen für Frauenthemen ein, um die öffentliche Meinung durch massenwirksame visuelle Darstellungen zu formen. Anlässlich des Internationalen Frauentags werfen wir ein Schlaglicht auf aussagekräftiges Grafikdesign, das die Gleichberechtigung von Frauen auf der ganzen Welt thematisiert. Von überraschend bis zugänglich und von kühn bis schön, eines ist sicher: diese Designs machen einen Unterschied, für einen guten Zweck und mit einer Kraft für den Feminismus.
„Women Interrupted: A Portrait of Silence“, von links nach rechts: Illustrationen von Neil V. Fernando,
Michele Bruttomesso, Tanya Kotnala unter der künstlerischen Leitung von José Pedro Bortolini für BETC
Wie man sich vielleicht erinnert, hat Donald J. Trump während der ersten US-Präsidentschaftsdebatte zwischen den beiden Kandidaten Hillary Clinton 51-mal unterbrochen. Clinton hat Trump dagegen nur neunmal unterbrochen. Dieses Verhalten wurde inzwischen als Manterruption (männliche Unterbrechung) bezeichnet und liegt irgendwo auf dem Spektrum sexistischen Verhaltens, gleich neben dem Mansplaining (etwa: herablassende Erklärungen eines Mannes gegenüber einer Frau). Es ist in Vorstandssitzungen weit verbreitet, aber auch außerhalb der Berufswelt nur allzu häufig anzutreffen. Frauen wollen gehört werden und es ist an der Zeit, dass wir anfangen, ihnen gut und bis zum Ende zuzuhören. Anlässlich des Internationalen Frauentags hat die brasilianische Werbeagentur BETC Künstlerinnen aus der ganzen Welt gebeten, sich für das Thema einzusetzen und Plakate zum Thema Manterruption zu entwerfen. Frauen aus allen Kontinenten haben an dieser Bilderreihe namens „Women Interrupted: A Portrait of Silence“ (Unterbrochene Frauen: Ein Porträt der Stille) mitgearbeitet.
67 Künstlerinnen aus über 20 Ländern haben unter der künstlerischen Leitung von José Pedro Bortolini ihre Illustrationen abgegeben – 87 einzigartige Poster insgesamt. Für die Plakatserie benutzten all dieselben Farbcodes, um diesen einzigartigen Bildern der gesamten Kampagne einen einheitlichen Look zu verleihen. Jedes Plakat zeigt ein Originalporträt oder ein Selbstporträt einer Frau, die mit dem Finger eines Mannes vor ihrem Mund zum Schweigen gebracht wird. Eine Frau, die unterbrochen wird, ist also eine Frau, die zum Schweigen gebracht wird. Die Porträts sind so unterschiedlich wie die Künstlerinnen selbst. Daneben stehen verschiedene Bildtexte der Werbetexterin Nathalie Lourenço, wie zum Beispiel „Frauen werden gehört. Das klingt ziemlich gut.“ und „Nach dem Recht auf freie Meinungsäußerung wollen wir das Recht auf vollständige Meinungsäußerung“. Sie vermitteln die eindringliche Botschaft, dass Frauen es satthaben, um ihre Sprechzeit zu kämpfen. Andere Bildtexte lauten: „Hören Sie auf zu reden und fangen Sie an zuzuhören“, oder „Gleiche Rechte bedeuten gleiche Stimmen“. Dies soll verdeutlichen, dass alle Stimmen gleich geboren werden und auch so behandelt werden sollten. Die Plakatreihe kam so gut an, dass BETC bereits um Bildeinreichungen für die Nachfolgereihe Portraits of Silence Series 2 gebeten hat.
Im Zeitalter der Intersektionalität und Identität wird viel über Verbündete gesprochen. Das Patriar-chat ist die häufigste Ursache für die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern – aber auch Män-ner können eine Kraft für positive Veränderungen für Frauen sein. Bei der HeForShe-Kampagne der Vereinten Nationen geht es genau darum, nämlich wie Männer Verbündete für Frauen sein können. Die Solidaritätsbewegung für die Gleichstellung der Geschlechter bringt die eine Hälfte der Menschheit mit der anderen Hälfte zusammen, um sie zum Wohle aller zu unterstützen. Mit der Kampagne HeForShe versucht die UN, Männer und Jungen auf der ganzen Welt bei der Ver-wirklichung der Gleichberechtigung einzubeziehen und gemeinsam gegen negative Geschlechter-stereotypen und Verhaltensweisen vorzugehen. Seit dem Start der Kampagne im Jahr 2013 haben Männer aus der ganzen Welt, darunter Staatsoberhäupter, CEOs und Prominente, gemeinsam mit Millionen anderen das #IDo- und #HeForSHe-Versprechen unterzeichnet, um so für die Gleichstellung der Geschlechter zu kämpfen.
DIA, ein in New York City ansässiges Studio für Kreativproduktionen, war für die Entwicklung der visuellen Identität von HeForShe verantwortlich. Das Logo repräsentiert diese Solidaritätsbewegung, indem es Aspekte der weiblichen und der männlichen Symbolik miteinander verbindet. Es symbolisiert, dass Frauen und Männer für die Verwirklichung der Geschlechtergleichstellung zusammenarbeiten. Studio DIA setzte kühne Schriftzüge in Kombination mit auffälligen Farben ein und griff die in den Geschlechtersymbolen verwendeten Pfeile als Teil des Designs wieder auf. Die HeForShe-Entwürfe wurden in allen Medien der UN-Kampagne verwendet, z. B. auf Plakatwänden, Konzertkarten, Visitenkarten, Flyern und vielem mehr. Damit sollten sowohl Privatpersonen als auch Prominente ermutigt werden, sich konkret für eine schnellere Gleichstellung der Geschlechter einzusetzen. Darüber hinaus hat die HeForShe-Bewegung auf der ganzen Welt enorme Erfolge erzielt und auf allen Kontinenten, an der Basis, lokale Versionen der Kampagnen ins Leben gerufen.
„For All Womankind“, von Deva Pardue. Die beiden Schwesterentwürfe von Pardue
wurden als Poster zum kostenlosen Herunterladen für den Women‘s March geschaffen.
Die allermeisten unter uns haben schon irgendwann einmal Deva Pardues Femme Fist gesehen. Der Entwurf heißt offiziell For All Womankind, also genauso wie die feministische Organisation der Designerin. Was als kostenloser Download für den Women‘s March begann, wurde bald zu einem der bekanntesten Designs des letzten Jahrzehnts, und es symbolisiert viel mehr als die Summe seiner Teile. Nach der Wahl von Donald J. Trump fühlten sich viele Frauen von der Politik und dem Versprechen der Frauenrechte im Stich gelassen. Das inspirierte sie dazu, auf die Straße zu gehen und für ihre Rechte einzustehen. Die in New York lebende und in Irland geborene Designerin Deva Pardue entwarf das Design von Femme Fist als kostenloses Poster zum Herunterladen für den Marsch der Frauen. Im Vorfeld der Demonstration wurde es von Prominenten geteilt und allein in den USA haben 4.000 Menschen das Design kostenlos als PDF heruntergeladen und für die Demonstration ausgedruckt. Der Online-Verkauf der Druckversion hat seitdem über 25.000 Dollar eingebracht. Dieses Geld kam zwei gemeinnützigen Organisationen zugute, die sich für das Recht auf sexuelle Gesundheit und Selbstbestimmung sowie das Recht auf Abtreibung in den Vereinigten Staaten einsetzen.
Das Design von Pardue fand bei Frauen überall sehr viel Anklang. Das Plakatdesign bringt die vielen Überschneidungen (Intersektionalität) des modernen Feminismus auf den Punkt. Der Name „For All Womankind“ bezieht sich laut Pardue auf die Notwendigkeit der Intersektionalität bei der Organisation – quer über die Themen Geschlecht und Rasse hinweg, genauso wie über die Ebene des Kampfes für die Rechte jedes einzelnen hinaus. Pardue fand, dass es an feministischen Entwürfen zur Vielfalt der Frauen fehlte. Also beschloss sie, selbst etwas Passendes zu entwerfen. „Wenn es um Protestkunst geht, darf die Bedeutung der Medien nicht unterschätzt werden. Es kommt am besten an, wenn man die Aussage so wenig wie möglich überlädt“, findet Pardue. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf gestaltete sie einen Entwurf, der ebenso weich und feminin wie stark und vielfältig ist. Ihr Motiv zeigt drei erhobene Fäuste, jede mit einem anderen Hautton, aber denselben rot lackierten Fingernägeln, vor einem puderrosa Hintergrund. Damit ist die Bildersprache ebenso unmissverständlich feminin wie selbstbewusst. Pardues Femme Fist erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Das Motiv wurde von Frauenbewegungen auf der ganzen Welt aufgenommen und von Dutzenden anderer Künstler neu interpretiert. Es verbreitet nach wie vor die Botschaft eines integrativen Feminismus und inspiriert Frauen, den Kampf für ihre Rechte fortzuführen.
Die neue visuelle Identität der Feminist Library wurde von ihrem Archiv mit Protestbannern inspiriert
Kann eine Schriftart zur Rettung des Feminismus beitragen? Tatsächlich fand ein Team von Designern, es könne nicht schaden. „The Feminist Library“ im Südosten Londons verfügt über eine unvergleichliche Sammlung von über 7.000 Büchern, 1.500 Zeitschriftentiteln aus aller Welt, mehreren Archiven feministischer Personen und Organisationen, Flugblättern, Papieren, Postern und Drucksachen für den einmaligen Gebrauch. Fast 40 Jahre lang hatte die Bibliothek ohne Unterbrechung als Archiv und Kulturzentrum für Frauen fungiert. Im Jahr 2018 beschloss der Gemeinderat plötzlich, das Gebäude der Bibliothek umzubauen. Der Bibliothek wurden neue Räumlichkeiten in einem anderen Viertel angeboten. Für den Umzug der kompletten Sammlung sowie den Umbau des neues Zuhauses in eine funktionierende Bibliothek und einen Gemeinschaftsraum musste sie jedoch die hohe Summe von 48.000 Pfund aufbringen. Daraufhin wurde ein Team von Designern zur Entwicklung einer neuen Identität zusammengestellt, mit der die Crowdfunding-Kampagne zur Rettung des feministischen Archivs und Gemeinschaftsraums unterstützt werden sollte.
Plakate für die Spendenkampagne, mit Sandersons und Lincolns Original-Schriftbild.
Die Designerinnen Lucy Sanderson und Anna Lincoln begannen gemeinsam mit der Entwicklung einer einzigartigen und auffälligen Schriftart, die von der Sammlung der Bibliothek mit feministischen Protestbannern inspiriert war. Dazu klebten sie in einer Kneipe vor Ort großformatige Buchstaben mit Klebeband auf die Tische und scannten sie anschließend ein. So erhielten sie eine digitale Version, die sie dann in die Spendenplakate und ‑flyer übernahmen. Diese kostengünstige Methode stand für die Designerinnen an erster Stelle. Sie wollten unbedingt, dass die neue Schriftart für andere zugänglich sein sollte, was den eigenen Werten der Bibliothek entspricht. Mit den farbenfrohen, geometrischen Hintergründen und manchmal auch mit abstrahierten Versionen der gescannten Klebebandmotive selbst hebt sich die Schrift laut und deutlich ab. Die auffälligen Entwürfe waren ein Erfolg und erregten sehr viel Aufmerksamkeit, wodurch die notwendigen Mittel zur Rettung der Feministischen Bibliothek aufgebracht wurden. So kann sie weiterhin Frauengeschichten zugänglich machen und eine Gemeinschaft kultivieren, worin der Feminismus gedeihen kann. Außerdem war die neue Schrift ein solcher Erfolg, dass man beschloss, sie im neuen Logo für „The Feminist Library“ beizubehalten.
Die Zukunft ist feministisch
Grafikdesign kommt uns vielleicht nicht sofort in den Sinn, wenn wir an den Kampf für feministische Anliegen denken. Wie die Geschichte jedoch zeigt, kann durchdachtes Design eine große Wirkung entfalten. Diese ergreifenden Kampagnen zeigen den Unterschied, den Design für einen guten Zweck machen kann. Solange Frauen noch immer um Fortschritt kämpfen müssen, können Designer ihre Kreativität weiterhin für ein so wichtiges Ziel einsetzen.
Weitere Informationen finden Sie hier:
HeForShe: https://www.heforshe.org/en
For all Womankind: https://forallwomankind.com/
The Feminist Library: https://feministlibrary.co.uk/